Rupert hat diese Geschichte nach einer freien Geschichte die es auch im Internet zu finden gibt reichlich verbessert wie ich finde, auch von ihm einen Auszug, die ganze Geschichte gibt es im Archiv.
I. Prolog – Im Kerker
1) Düstere Gedenken
Doretta, die eigentlich Eta Dorothea hieß, war zu einem besonders qualvollen Tod verurteilt.
Kraft der Macht der Männer in der Gesellschaft, in der sie lebte, dazu auch noch durch den
schändlichen Einfluss ihrer Stiefmutter. Das Gesetz war streng und für Hexenprozesse gab es
besondere Regelungen, die ihre Rechte als Angeklagte weiter einschränkten. Schon ein
Verdacht reichte aus, um unter der Folter Geständnisse zu erzwingen. Alle Anklagepunkte
wurden auf ihr Geschlecht aufgebaut. Als Frau galt sie als besonders verführbar, verführbar
sogar durch den Teufel. Und mit dessen Hilfe war sie sogar fähig zur Zauberei.
Sie war eine schöne, junge Frau, die zudem von ihrem Vater ein reiches Erbe zu erwarten
hätte. Es sei denn, sie könnte als Erbin ausgeschlossen werden… Und was bot sich da
Besseres an, als sie als Hexe zu beschuldigen. Das durfte zu jener Zeit ganz anonym
geschehen, ohne dass sie selbst oder die Öffentlichkeit etwas vom Urheber der bösartigen
Anschuldigungen erfuhr.
Ihr Unglück und Elend begann kurz nach Allerheiligen im Jahr 1652, als sie von einem
Hexenkommissar in Begleitung einiger Wachen verhaftet, in ein Verließ gesperrt und in ihrer
Not alleingelassen wurde. Nur noch zum Anlass ihrer vielen Verhöre verließ sie ihre Zelle.
In ihrer Zelle musste sie auf dem Boden kauernd die Tage verbringen und die Nächte auf
dem dünnen Stroh schlafen. Ein winziges Fenster unter der Decke war vergittert und
schenkte ihr nur Dämmerlicht, die Zellentür war aus solider Eiche, ihr rechter Fuß hing stets
an einer Kette, die im Mauerwerk verankert war. Jetzt im Winter war es kalt in ihrer Zelle
und sie war nur in Lumpen gekleidet. Sie musste aus einem Blechnapf fressen, sich mit dem
wenigen Wasser waschen, das ihr in einem Krug zur Verfügung stand und das auch noch zum
Trinken diente. Ihre Notdurft musste sie über einem Pisspott verrichten, der in einer Ecke
stand und wie das Stroh nur selten ausgewechselt wurde. Schon bald fühlte sie sich so
schmutzig. Aus einem behüteten Leben war es für Doretta ein tiefer Absturz ins Elend.
Jetzt käme es noch schlimmer und die junge Frau hatte wahnsinnige Angst vor dem, was sie
zu erwarten hatte, obwohl sie schon die grausamen Folterungen durchstehen musste. Und
sie wollte leben, nicht sterben – und schon gar nicht wollte sie lebendig verbrennen.
Sie wusste, in dieser Stunde laut zu fluchen bedeutete Gott zu lästern; das wäre ein großer
Frevel. Doch zum Glück konnte niemand ihre innere Stimme hören, diese Schreie der Qual,
des Leides, der Not; dieses Gebrüll nach Gerechtigkeit und nach Liebe. Schon in Kürze würde
ihr Herz nicht mehr schlagen, denn an diesem Tag sollte sie sterben. Sie würde qualvoll auf
dem Scheiterhaufen verbrennen, doch dabei bliebe es nicht.
Kalt waren die Sandsteinstufen des Kerkers am Morgen, begierig danach, ihr das Gefühl zu
rauben, sie hätte noch ein Recht darauf, in einer freundlichen Welt zu leben. Barfuß stieg die
geschundene Frau Stufe für Stufe aus ihrem Kellerverlies empor. Hinauf zum Licht, hinein in
die Hoffnungslosigkeit. Der grobe, schmutzige Schandkittel kratzte auf ihrer wunden Haut.
Wie gerne hätte sie ihn abgelegt und durch eines ihrer sanften Kleider ersetzt. Und doch
fürchtete sie sich vor dem Moment, wenn die Henkersknechte ihr diesen Schandkittel vom
Leibe reißen würden, um sie dem wartenden Volk völlig nackt zu präsentieren.
Lange war in Altenbeken am Rande des Teutoburger Waldes keine Frau mehr zum Richtplatz
geführt worden, um sie öffentlich zu demütigen und zu bestrafen, geschweige denn, um eine
Hexe bei lebendigem Leibe zu verbrennen. Soeben hatten die Glocken zu läuten begonnen,
um die zehnte Stunde des Vormittags anzukündigen. Die Verurteilte war sich sicher, der
Richtplatz würde dicht an dicht mit Zuschauern besetzt sein, die sie sehen wollten. Zwei
Stunden waren für das Spektakel anberaumt, bevor ihr sündiger Leib zur Mittagsstunde dem
reinigenden Feuer übergeben würde.
Als die Eingangstür des Gefängnisses aufgestoßen wurde, blendete sie das helle Licht. Da
ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt waren, musste Doretta ihre Augen zusammenkneifen.
‚War das der heilige Glanz des Himmels oder der grelle Schein des Fegefeuers?‘, fragte sich
die junge Frau.
Vor Verwunderung blieb sie stehen. Ein kräftiger Schlag mit dem Stiel der Hellebarde auf
ihren Hintern ließ sie nach vorne auf die Knie fallen. Fast hätte sie geschrien. Sofort krallte
sich eine Hand in ihr Haar. Unbarmherzig wurde sie nach oben gerissen. Ihre Knie brannten,
sie waren vom Sturz aufgerissen und bluteten; ihre Kopfhaut schmerzte vom brutalen Zug an
ihren Haaren. Vorsichtig setzte sie ihren ersten, nackten Fuß in den kalten Schnee.